Klärungsbedürftig in dem von Rechtsanwalt Sven Zimmermann-Rieck aus Rostock geführten Verfahren war, ob das vom Pflegeversicherungssenat (3. Senat) des Bundessozialgerichts angenommene Erfordernis zur Realisierung eines angemessenen Unternehmergewinns als Kehrseite zum Unternehmerrisiko im Sozialhilferecht übernommen werden könne.

Diese Frage wurde in Entscheidungen von SGB XII- Schiedsstellen und Instanzgerichten unterschiedlich beantwortet bzw. bislang offengelassen. Während einige Gerichte die vorgenannte Rechtsprechung des 3. Senats des BSG auch in der Sozialhilfe für anwendbar hielten (vgl. z.B. Sächsisches LSG, Urt. vom 01.04.2015, -L 8 SO 87/12 KL-), ließen es andere offen (vgl. z.B. LSG Berlin-Bdg., Urt. vom 09.05.2018, -L 23 SO 300/15 KL-). Das LSG Mecklenburg-Vorpommern lehnte einen separat ausgewiesenen Prozentsatz als Unternehmergewinn ab, weil schon fraglich sei, ob die Rechtsprechung des 3. Senats des BSG überhaupt ohne Abstriche übertragbar sei; jedenfalls sei der Unternehmergewinn bereits in der Vergangenheit in der vereinbarten Vergütung enthalten gewesen.  (vgl. LSG M-V, Urt. vom 20.06.2019, -L9 SO 3/13 KL-). Das letztgenannte Urteil hielt nun der zugelassenen Revision nicht stand.

Die bisherige Rechtsprechung des Pflegeversicherungssenats des BSG nahm ein Erfordernis zur Realisierung eines angemessenen Unternehmerrisikos grundsätzlich an. Eine Pflegevergütung muss danach so bemessen sein, dass sie bei wirtschaftlicher Betriebsführung die Kosten einer Einrichtung hinsichtlich der voraussichtlichen Gestehungskosten unter Zuschlag einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos und eines etwaigen zusätzlichen persönlichen Arbeitsansatzes sowie einer angemessenen Verzinsung ihres Eigenkapitals deckt (grundlegend BSG, Urt. vom 29. Januar 2009, -B 3 P 7/08 R-). Für die Ermittlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung für eine Pflegeeinrichtung einschließlich der Berücksichtigung eines Unternehmerrisikos hat der 3. Senat des BSG zudem Kriterien für einen sog. externen Vergleich entwickelt.

Der sozialhilferechtliche Senat des BSG (8. Senat) beanstandete es grundsätzlich nicht, wenn bzw. dass eine sozialhilferechtliche Schiedsstelle sich im Rahmen des ihr zustehenden Entscheidungsspielraums an der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG zum sog. externen Vergleich im Recht der Sozialen Pflegeversicherung orientiert (vgl. z.B. BSG, Urt. vom 07.Oktober 2015 –B 8 SO 21/14 R-, Rn. 16). Zu den Rechtsfragen hingegen, ob dabei auch ein Unternehmerrisiko/ Risikozuschlag zu berücksichtigen sei, traf der sozialhilferechtliche Senat des BSG bisher noch keine Entscheidung.

In seiner Entscheidung vom 08.12.2022 (B 8 SO 8/20 R) (Urteil_BSG_vom_08_12_2022_B_8_SO_8_20_R) hob der 8. Senat des BSG das oben genannte Urteil des LSG M-V sowie den vorherigen Schiedsspruch auf. Der Schiedsspruch ist formell rechtmäßig ergangen; hinsichtlich der begehrten Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinns genügt der Schiedsspruch jedoch nicht den normativen Vorgaben aus §§ 75 ff SGB XII. Zwar hat die Schiedsstelle die geltend gemachten Gestehungskosten bei der Entscheidung über die Grund- und Maßnahmepauschale vollumfänglich als plausibel zugrunde gelegt. Die Vergütung muss aber weiter so bemessen sein, dass sie bei wirtschaftlicher Betriebsführung auch das Unternehmerrisiko angemessen berücksichtigt. Die Schiedsstelle durfte es nicht ohne weitere Überprüfung mit dem Sozialhilfeträger als gesetzt ansehen, dass die vereinbarten Vergütungen sowohl des Klägers als auch vergleichbarer Einrichtungen solche Gewinnchancen von vornherein eröffnen. Sie muss sich im Einzelfall davon überzeugen, woraus sich solche Möglichkeiten ergeben können und dazu ggf. einen Vergleich mit den Vergütungen anderer Einrichtungen (“externer Vergleich“) heranziehen. Auf die Höhe der Vergütung anderer Einrichtungen hat die Schiedsstelle sich zwar bezogen, einen Vergleich dabei aber nur unzureichend durchgeführt. Es fehlt schon an von der Schiedsstelle festgelegten Kriterien für die Vergleichbarkeit der von ihr berücksichtigten Einrichtungen. Entgegen der Ansicht des LSG ist das Begehren des Klägers nicht darauf gerichtet, zusätzlich zu dieser dem allgemeinen Unternehmer-/Verlustrisiko geschuldeten Gewinnchance eine weitere pauschale Vergütung zu erhalten. Es kann dahinstehen, ob und in welchen Fällen ein solcher weiterer Zuschlag bei außerordentlichen Risiken des Betriebs der Einrichtung zustehen kann, weil der Kläger hierzu nichts vorgetragen hat (BSG, Urt. vom 08.12.2022, – B 8 SO 8/20 R -).

Die Entscheidungsgründe liegen nunmehr vor. Wie erwartet, wird diese grundsätzliche Entscheidung des 8. Senats des BSG weitreichende Folgen in den Vergütungsverhandlungen und ggf. Schiedsverfahren haben. Lesen Sie auch die Beiträge im „Rechtsdienst der Lebenshilfe“ Nr. 3/23 Rechtsdienst_der_Lebenshilfe_3_2023 und Rechtsdienst_der_Lebenshilfe_3_2023_2.

 

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